gertrud lincke

1888-1976
Architektin

Dresden


Bild: (c) Deutsche Fotothek / Else Seifert
Bild: (c) Deutsche Fotothek / Else Seifert

Gertrud Lincke setzte sich mit modernen Bauten und informativen Texten praxisorientiert für die Emanzipation von Frauen ein.

 

Am 6. Juni 1888 in Dresden als Tochter eines Gymnasialoberlehrers geboren, studierte Gertrud Magdalene Lincke ab 1908 an der Königlich Sächsischen Kunstgewerbeschule Dresden. Sie wählte zunächst Graphisches Kunstgewerbe, später auch architektonisches Kunstgewerbe. Eine allgemeine Zulassung von Frauen zu den Technischen Hochschulen erfolgte erst 1909. Lincke studierte ab 1915 noch für zwei Jahre Raumkunst.

 

Nach dem Studium arbeitete sie im Büro von Gustav Lüdecke, einem innovativen Dresdner Architekten, der sich intensiv mit neuen Baustoffen beschäftigte. Sie nahm an Ausstellungen teil und errichtete und plante bald unter eigenem Namen Wohnhäuser und -heime. Die Innenräume entwarf sie auf Raumersparnis hin optimiert mit Einbaumöbeln und Falttüren. Ihre Bauten waren stets modular aufgebaut und teils vorgefertigt aus Stahl gedacht. In Zeitschriften der bürgerlichen Frauenbewegung wie Die Frau veröffentlichte sie ihre oft von ökonomischen Ausführungen begleiteten Entwürfe.

 

Mehrfach arbeitete Lincke für die Stiftung Frauenwohnungshilfe, die 1928 Bauherrin des hier zu sehenden Rentnerinnenwohnheims war. Die Stiftung engagierte sich seit ihrer Gründung 1926 in Dresden für die Förderung von Kleinwohnungen für Frauen durch Darlehen. Das Heim mit 16 Wohnungen war primär für ältere alleinstehende Frauen gedacht. Sie mieteten „mit voller Pension“ und ihre zu groß gewordenen Wohnungen wurden damit frei für Familien.

 

Die durchgehenden Terrassen verliehen dem Bau nicht nur ein modernes Aussehen. Lincke ermöglichte den Bewohner*innen der meist Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen damit „Licht- und Luftbäder“. Zusammen mit Zentralheizung und fließendem Wasser bot der Bau für diese Zeit geradezu luxuriösen Komfort. Auf jeder Etage gab es Gemeinschaftsbäder. Einbauschränke, Koch- und Bettnischen mit eingebauten Klapptischchen optimierten die Raumnutzung. Der Gemeinschaft diente ein Saal für Veranstaltungen und das Mittagessen, es gab einen Leseraum und Gästezimmer. „Gesund und praktisch“ sollte alles sein. Zur Eröffnung präsentierte eine Ausstellung die neuesten Einrichtungsgegenstände. 1931 erhielt der Bau einen „Zwilling“ und besaß nun 55 Wohnungen. Weitere Wohnheime der Frauenwohnungshilfe folgten in Radebeul und Zwickau.

 

Ein solcher Wohnkomfort war damals vor allem für alleinstehende Frauen rar. Vorrangig sozial engagierte Kreise reagierten auf die Wohnungsnot und förderten auch aus emanzipatorischen Gründen Wohnheime für Frauen. Durch gemeinsam genutzte Wasch- und Kücheneinrichtungen erleichterten sie die Berufstätigkeit. Meist entwarfen Architektinnen derartige Wohnheime.

 

Zu ihren Tätigkeiten nach 1933 gibt es nur noch wenige Nachweise. So errichtete sie einige private Wohnhäuser und entwarf Wohnheime, die jedoch nicht gebaut wurden. 1935 trat sie der Reichskammer der Bildenden Künste bei, um weiterhin beruflich tätig sein zu können. Nach 1945 engagierte Lincke sich für den Wiederaufbau und für Kleinwohnungen. Am 7. Oktober 1976 starb sie 88-jährig kinderlos in Dresden.

 

Ihr Wirkungsfeld entsprach der Nische, die Architektinnen damals geboten wurde. Große, repräsentative Bauaufträge gingen zumeist an die männlichen Kollegen.

 

Autorin: Dr. Claudia Quiring, Stadtmuseum Dresden 


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